WIR und ICH

Die Wertesysteme wechseln sich stets ab zwischen WIR- und ICH- Wertesystemen. Im ICH-Wertesystem ist das Indivduum wert-voller, im WIR-Wertesystem das Kollektiv, die Gruppe oder der Clan.

WIR in der KircheNach oben ↑

Die Kirche ist ein "WIR-Konstrukt". Sie konnte, historisch betrachtet, schon massiven Druck auf Individuen mit individualistischen Tendenzen ausüben. Woran liegt es, dass wir Individualisten so vereinnahmend und gleichmacherisch funktionieren, sobald wir uns zu einem WIR zusammenschliessen, zu einem Kollektiv, zu einer Körperschaft?

Es scheint für uns gar nicht so einfach zu sein, dem äussern Druck einer Gemeinschaft zu widerstehen. Sich anpassen ist oft der Weg des geringeren Widerstandes. Sogar dann, wenn wir dafür aus unserem Denken und Fühlen eine Mördergrube machen sollten.

Jesus ermuntert uns hingegen das zu tun, was für unseren Glauben stimmig ist. Er hat es vorgemacht. Das bedeutet, auf sich selbst hören zu können. Vielleicht vernimmt man dabei auch, wie Gott uns leitet? "Wer Ohren hat, der höre", heisst es ja so oft in der Bibel...

Kirche als Institution war bisher nicht dafür bekannt, Individualismus zu fördern oder zu unterstützen. Im Gegenteil. Und das, obwohl Jesus "für mich" (das Individuum) am Kreuz gestorben ist, wie es immer wieder bei den kirchlichen Interpreten seines Todes heisst.

Als Kollektiv ist Kirche auf das "WIR" spezialisiert. Die Frage stellt sich heute, ob sie gewillt ist, dem Einzelnen eine Chance zur persönlichen Entwicklung zu geben, wenn das hiesse, dass er deswegen eine Zeit lang Abstand nehmen wird vom Kollektiv Kirche. Das ist nämlich die aktuelle Situation in unserem Land.


Eine Analogie:

Dies ist ein ähnliches Dilemma, das sich in jeder Familie stellt, wenn die Kinder "ausfliegen", also selbstständig werden: Hält man sie mit Tricks oder Druck zurück, um sie nicht zu verlieren, oder traut man sich zu, als liebevolle Eltern gut genug gewesen zu sein, sodass die Jungen schon wieder den Kontakt aufnehmen werden, wenn sie dazu wieder bereit sind?    
Eben weil die Beziehung schon vorher stimmig war. Zerrüttete Beziehungen kann man übrigens durch Beweise einer ehrlichen Bemühung wieder heilen lassen. Reue und Vergebung sind nicht umsonst ein wichtiges Thema bei Jesus.

Beziehung als A und ONach oben ↑

Dieses Grundvertrauen in die eigene Wirkkraft fehlt der Kirche jeweils dann, wenn sie nicht fähig ist, zu den (aus ihrer Sicht) "untreuen Kindern" ein gutes Verhältnis aufrechtzuerhalten oder überhaupt eine Beziehung herzustellen. Es fällt ihr oft schwer, ein Verhältnis zu pflegen, das ihnen die nötige Freiheit und Ungebundenheit lässt, die sie für ihren nächsten Entwicklungsschritt brauchen.

Dort, wo die oft BLAUE (oder GRÜNE) Kirche den Kindern und Jugendlichen eine gute Kirche war, dort kehren die jungen Erwachsenen nach ihrer ORANGEN Phase der Distanziertheit zur Kirche zurück: Es gibt sogar Einzelne, die einen kirchlichen Beruf ergreifen. Die meisten knüpfen über ihre eigenen Kinder wieder locker an die Kirche an. Viel später gehören sie vielleicht zu den engagierten Pensionierten. Immer vorausgesetzt, dass sie die Kirche als gut genug, vertrauens- und glaubwürdig genug erleben können.

Dies wiederum ist, wie wir aus Erfahrung wissen, davon abhängig, wie einem die Menschen in kirchlichen Kontexten begegnet sind. Wie haben Sie Ihre Kirchgemeinde erlebt? Wie gingen Sie auf die anderen zu, wenn Sie Teil der aktiven Kirchgemeinde waren?

Wer soll dazu gehören?Nach oben ↑

Wer gehört zur Kirche, ausser den aktiven Gemeindegliedern, die sich oft bzw. ab und zu sehen lassen oder sich sogar in der Kirchgemeinde engagieren? Was ist zum Beispiel mit den Kinderlosen? Oder mit den Homosexuellen? Oder mit den Vereinsamten oder mit jenen, die wegen ihres Drogenkonsums langsam wegdämmern? Oder was ist mit den sogenannten "Dinks", den "Expats" oder den Zugewanderten? Oder was ist mit Menschen welche geistig, psychisch oder körperlich eingeschränkt sind?

Auch sie gehören in den Fokus der aktiven Kirchgemeindeglieder, solange oder sobald sie zur Kirche gehören. Und darüber hinaus jeder Mensch, auch Nicht-Christen. Das wird von dem einen aktiven Prozent zu oftvergessen.

Und wann gehört man nun zur Kirche?

Rein rechtlich gehört man zur Landeskirche, wenn man die Bedingungen des Kirchenrechts erfüllt. Das Kirchenrecht setzt in der Regel eine christliche Taufe und bei Volljährigen die Kirchensteuerpflicht voraus.

Aus geistlicher Sicht ist es eben nicht an uns zu entscheiden, wen Christus in seine Körperschaft aufnimmt. Von daher entsprich die Volkskirche von heute Christi Auftrag, Kirche für alle Menschen zu sein, indem sie selbst schon keine exklusive Kirche Gleichgläubiger ist, sondern ein heterogenes Gebilde.

In der Praxis freut sich eine Kirchgemeinde auch über "Mitglieder" die das eine, das andere oder beides nicht vorweisen können. Die engagierte Katholikin, der konfessionslose Junge in der Jugendband, der jüdische Organist, das atheistische aber humanistisch motivierte Mitglied in der Kirchenbehörde.

WIR-Wertesysteme des ersten Ranges sehen es als einen Wert, dass niemand dem Kollektiv abhanden kommt. Was aber nicht heisst, dass sie es allen leicht machen, dazuzugehören: Wer der Kirche den Rücken zukehrt, wird (auf PURPURNER, BLAUER und GRÜNER Ebene) emotional als Verräter wahrgenommen. Dies wird subtil bis offen auch gezeigt.

Die Krux heute ist, dass alle dringend gebraucht werden, welche ihre Kirchensteuern bezahlen, jedoch nicht zur Kirche gehen, sich nirgends einbringen und am kirchlichen Leben in keiner Weise teilnehmen. Das sind etwa 70 bis 95 Prozent der Kirchgemeindeglieder, klar die grosse Mehrheit.

Man kann nicht einmal mehr davon ausgehen, falls das je der Fall war, dass sie den christlichen Lehren folgen wollen oder können.
Oft fand der Bruch in der Jugend statt. Das vermittelte religiöse Wissen und kirchliche Erleben stammt aus jener Zeit (Kindheit oder Jugend). Durch den Kontaktabbruch konnten später und mit zumender Lebenserfahrung weder Fehler korrigiert noch vergeben werden noch Wissenslücken aufgefüllt werden. Heute suchen Viele das Fehlende im Internet. Die Suche nach Sinn und Bedeutungen ist den Menschen nicht abhanden gekommen.

Aber wessen Antworten werden sie finden? Hat die reformierte Landeskirche vielleicht zu viel Kompetenz aus ihrer Hand gegeben? Die Menschen in ihrer geistlichen Suche nach Orientierung und Austausch zu lange sich selbst überlassen?

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