Entwicklungslinien

Was verstehen wir hier unter Entwicklungslinien? Dies soll im Folgenden erörtert werden.

Ken Wilbers LinienNach oben ↑

Ken Wilber und andere integrale (Vor- und Weiter-)Denker erkennen in den Entwicklungslinien eine wichtige Komponente für das integrale Wachstum. Die Linien werden hier gesondert betrachtet, bringen aber eher Schaden als Nutzen, wenn man sie isoliert anwendet. Das aktuelle Wertesystem, die Fähigkeit zu lieben, die nuancierte Betrachtung von Allem durch die vier Quadranten sowie die Beachtung des aktuellen Zustandes und Typs gehören unbedingt zu einem ganzheitlichen integralen Blick.

Mit Entwicklungslinien sind Linien gemeint, die entstehen, wenn man (irgend-)eine Entwiklung mit verschiedenen Entwicklungsstufen beschreibt. Das Wort "Stufen" mag nun bei GRÜNEN Werten auf Ablehnung stossen, doch lassen sie sich nicht wegwünschen. Es ist nicht abwertend oder aufwertend gemeint, wenn man von niedrigeren bzw. höheren Entwicklungsstufen spricht. Es sind reine objektive Feststellungen. Man ist auf der Skala weiter unten oder weiter oben. Und jede Höhe auf der Skala hat ihre Aufgaben zu meistern, ihre Herausforderungen, ihre Probleme, Einschränkungen und Vorteile. Verheerende Folgen haben Vergleiche zwischen Individuuen und zwischen Menschengruppen. Sie machen zwar wissenschaftlich vielleicht Sinn, aber zwischenmenschlich haben sie manchmal verheerende Folgen: Menschen werden von anderen Menschen entwertet oder ausgegrenzt. Wir kennen aus der Geschichte und in der Ggeenwart genügend Beispiele dazu.

Vergleiche machen Sinn, wenn sich ein Mensch mit sich selbst vergleicht - oder wenn er von anderen mit sich selbst verglichen wird. Wo stand ich vor einem Jahr? Wo stehe ich jetzt? Was hat sich verändert? Das sind gewinnbringende Fragen.

Entwicklungslinien kann man auf fast alles beziehen. Zumindest alles, was sich wandelt, macht Entwicklungen durch oder durchläuft verschiedene Stadien. Manchmal sind die Beschreibungen zyklisch, linear oder spiralförmig.

Beispiele für EntwicklunglinienNach oben ↑

Lebewesen, Prozesse, Dinge, vieles lässt sich beschreiben und nicht selten lässt sich mindestens eine wissenschaftliche Disziplin nennen, welche sich im Besonderen mit einer bestimmten Entwicklungslinie befasst.

Lineare Entwicklungen

  • Die Darstellung der biologischen Entwicklung des modernen Menschen aus den Urzellen (Biologie)
  • Die Darstellung der biologischen Entwicklung eines Menschen aus der Eizelle (Biologie)
  • Die Untersuchung über den Trauerprozess in x Phasen (Psychologie)
  • Die Aufzeichnung der Phasen bei der Umsetzung eines Projekts / bei einer Firmengründung usw. (Fachspezifisch)
  • Die Untersuchung über die Entwicklung einer Religion von der Stammesreligion zur Hochreligion (Religionswissenschaft, Soziologie)
  • Die Untersuchung über den Zerfall eines Atomkerns (Physik)

Zyklische Entwicklungen

  • Der Ablauf der Jahreszeiten / des Weltklimas usw. (Geografie, Geologie, Klimatologie,...)

Spiralförmige Entwicklungen

Diese sind wie die zyklischen Entwicklungen, doch nehmen sie die Erfahrungen des letzten Zykluses mit auf den Weg und transzendieren so den vorangegangenen Zyklus und nutzen, was ihnen im letzten Durchgang bewusst geworden ist.

  • Die Untersuchung über die Gruppenentwicklung in x Phasen (Soziologie, Psychologie)
  • Die Beschreibung über den Reifungsprozess eines Enneagrammtyps / eines bestimmten Radixhoroskopes /chinesisches Tierkreiszeichen usw. (Spirituelle Lehren)
  • Die Entwicklung der Wertesysteme

Ein gesunder Umgang mit EntwicklungslinienNach oben ↑

Ein gesunder Umgang mit Entwicklungslinien ist, sie zu kennen und sich selbst neugierig und ermunternd dabei zu beobachten, wie man sich entlang der Linie entwickelt. Sich zu freuen an den erarbeiteten und erreichten Meiliensteinen. Zu wissen, dass alle durchwanderten Stufen immer noch zu einem gehören, dass man nun aber mit den Herausforderungen anders umgehen kann, die sich früher stellten.

Als Mensch bin ich mir dankbar bewusst, dass ich einmal ein Einzeller, dann ein simpler Vielzeller war, und man mich leben und wachsen liess. Ich bin mir bewusst, dass mich früher nichts von einem Hühnerembrio unterschied, und ich ihm ebensolchen Respekt entgegenbringen sollte, wie ich ihn für mich beansprucht hatte. Zu wissen, wie ich mich entwickelt habe, eröffnet mir z. B. eine neue Sichtweise auf meine Geschwister, die Tiere.

Fallen im ORANGEN Wertesystem

Besonders im Trend sind heute die Schulungen von Kompetenzen. Kognitive, emotionale, religiöse, soziale, handwerkliche, sprachliche, heuristische, psychologische, sportliche, ästhetische, musische, digitale, hermeneutische,... Kompetenen. Sie kennen bestimmt noch mehr Kompetenzen, die man in der Schule und in den verschiedenen Berufen, in der Familie, in der Nachbarschaft, in der Kirche oder im Freizeitklub an den Tag legen sollte, um wirklich dazuzugehören.

An und für sich ist das begrüssenswert, dass wir uns in möglichst vielen Bereichen des Lebens und Seins entwickeln dürfen.
Es ist allerdings zunehmend in allen Lebensbereichen ein Druck zu spüren, möglichst viele Kompetenzen zu erwerben, um auf dem Markt zu bestehen, bzw. im privaten Bereich seinen Marktwert, bzw. seine Attraktivität zu steigern. Das sind ORANGE Werte, welche unseren Alltag immer mehr dominieren. Der Weg, also die Schulung von Kompetenzen, ist gut, die Motive dahinter sind fragwürdig.

Hier ist es gut, sich zu vergegenwärtigen, dass man für Gott liebenswert ist, unabhängig von seinen Kompetenzen. Und eigentlich müsste man es für jeden Christen auch sein, denn dahin deutet Jesu Liebe für die Kinder: Sie haben im Leben noch nichts erreicht, was gesellschaftlich oder religiös von Bedeutung sein könnte. Sie werden von Gott und in der Regel auch von ihren Eltern geliebt um ihretwillen.
Ebenso verfuhren die frühen Christengemeinden, welche den sozialen Rang in der Christengemeinschaft ausblendeten. Sklave und Herr begegneten einander als Menschen und auf Augenhöhe. Zumindest in der Idee. Wie es tatsächlich war, lässt sich nur noch bruchstückhaft rekonstruieren, wir wissen es also nicht. Aber wie es heute ist, das wissen wir.

Die Falle des Vergleichs mit anderen

Natürlich freuen sich normale Eltern, wenn sich ihr Kind gut entwickelt, selbstständig und einigermassen frei wird. So frei es die Werte der Gesellschaft und der Familie erlauben. Und jedes Kind freut sich ganz natürlich an neu entwickelten Fähigkeiten und überhaupt an seinem Körper und an seinen Sinnen, die ihm geschenkt wurden. Das ist eine gelingende Entwicklung. Aber dann passiert meistens etwas:
Mit der Zeit versteht nämlich das Kind, wie es mit anderen verglichen wird. Es vergleicht sich selbst mit anderen Menschen und da beginnt oft das Übel. Würde ein Kind sich nur mit sich selbst vergleichen, wäre es wohl eine Erfolgsgeschichte. Die Freude am Weiterwachsen (auch im übertragenen Sinn gemeint) würde ungetrübt bleiben. So aber werden sich Überheblichkeit, übertriebener Ehrgeiz und Minderwertigkeitsgefühle, Trotzreaktionen, Aggressionen oder Depressionen entwickeln, wenn das Kind den Druck spürt, der durch den Vergleich mit anderen entsteht.

Die Frage nach der Motivation

Ein gesunder Umgang mit der Weiterbildung auf möglichst vielen Gebieten zeigt sich an der Motivation, die als Triebfeder dient:

  • Wenn die Motivation ist, die Weiterbildungen sich selbst zum Geschenk zu machen, die Freiheit dahinter zu spüren, die sich mit dem zunehmenden Reifen der einzelnen Kompetenzen einstellt, dann ist es gut.
  • Wenn dahinter nur der Wille steckt, sein Wissen für mehr Macht über andere zu erlangen, um die Karriereleiter zu erklimmen, um über andere herauszuragen, weil man etwas Fehlendes kompensieren muss, dann leidet die spirituelle, die geistliche Komponente darunter, nämlich, dass sich die Liebesfähigkeit nicht richtig weiterentwickeln kann.

Von daher ist es gut, wesentliche Entwicklunglinien zu bevorzugen, bevor man in die Breite geht: Liebesfähigkeit ist eine wesentliche Entwicklunglinie für Christen und Christinnen.

Ken Wilber zeigt auf, wie die ersten fünf Wertesysteme noch nicht garantieren können, dass die Kompetenzen auf verschiedenen Gebieten ethisch tragfähig entwickelt werden: Ein brillanter Physiker ohne Skrupel ist in den falschen Händen ein gefährliches Kriegsinstrument. Ein toller Sportler, der kein Gefühl für Umwelt, Ressourcen und die eigenen körperlichen Grenzen entwicklet hat, wird bedenkenlos all dies aufs Spiel setzen für seinen Erfolg. Das heisst, eine noch so entwickelte Fähigkeit bzw. Kompetenz bringt nichts oder sogar Schaden, wenn ihre Entwicklung nicht begleitet wird durch eine persönliche Reifung im geistlichen Sinn.
Das lässt sich an Kindern und Heranwachsenden exemplarisch zeigen, bei ihnen ist es allerdings normal und ihr Aktionsradius wird deshalb auch sozial und politsch eingeschränkt. Und naturgemäss auch körperlich: Eltern sind nämlich froh, dass die wildesten Trotz- und Wutaktionen ihrer Sprösslinge dann stattfinden, wenn sie noch einigermassen handliche Leichtgewichte sind.

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